Customer Data Platform – Allheilmittel für datengetriebenes Customer Experience Management?

on 06.11.2019 by Laura Winkelbauer

Die mächtigen Oligopole der Werbenetzwerke einerseits und die steigende Zahl von Online-Werbetreibenden andererseits sorgen dafür, dass der Kampf um Neukunden zunehmend teurer (Stichwort Marketinginflation) wird. Je nachdem, welche Studie man heranzieht, ist die Akquisition eines neuen Kunden 3-5 Mal so teuer wie der Erhalt und die Reaktivierung eines Bestandskunden. Jedes Unternehmen profitiert folglich davon, mit einmal gewonnenen Kunden eine möglichst lange und gewinnbringende Beziehung zu pflegen. Den Marketing-Entscheidern ist dies auch immer mehr bewusst, denn in den letzten Jahren hat sich der Fokus weg vom Funnel-Einstieg hin zur Betrachtung der gesamten Customer Journey verlagert. Eine Umfrage von Gartner (2018) ergab, dass CMOs im Schnitt zwei Drittel ihres Budgets für Customer Retention und Wachstum einsetzen. Customer Analytics kommt derselben Studie zufolge eine der höchsten Prioritäten auf der Agenda zu, weil es die Entscheidungsgrundlage für Kundenbindungs- und -entwicklungsmaßnahmen bildet.

 

Auch in unseren Projekten erleben wir, dass die Customer Experience zunehmend als ein entscheidender Hebel für die Kundengewinnung und -bindung angesehen wird. Ein gelungenes Kundenerlebnis erreicht die richtige Person mit relevanten Inhalten zum richtigen Zeitpunkt – und dies entlang der gesamten Journey und Interaktion mit einer Marke bzw. einem Produkt oder Service. Die technischen Voraussetzungen für die konsequent datenbasierte Herangehensweise an das Thema Customer Experience stellen jedoch noch eine große Baustelle dar.

 

Führt man sich vor Augen an welchen Stellen der Kunde potenziell mit einem Unternehmen in Kontakt kommt – offene und geschlossene Bereiche einer Website (bspw. Homepage, Login-Bereich), App, Email (Customer Support, CRM, Marketing), Social usw. – wird klar, dass die meisten Organisationen hinsichtlich der datengetrieben orchestrierten Customer Experience noch einen weiten Weg vor sich haben.

Die entscheidenden Herausforderungen für Unternehmen sind:

 

  1. eine übergreifende Sicht auf den Kunden zu erlangen
  2. mithilfe dieser Sicht ein übergreifend orchestriertes Kundenerlebnis zu schaffen

 

Neben der organisatorischen Anforderung, dass verschiedene Fachdisziplinen ihr Silodenken überwinden und zum Wohle der ganzheitlichen Customer Experience zielführend zusammenarbeiten müssen, stehen Unternehmen in diesem Zusammenhang vor allem vor großen technischen Herausforderungen. Denn um das Ziel der kanalübergreifend personalisierten Customer Experience zu erreichen, sind die folgenden Basisfähigkeiten notwendig:

 

  1. Dauerhafte Sammlung der Daten aller Touchpoints an einem Ort
  2. Verknüpfung der Daten, die zu einem Kunden gehören (Profilbildung)
  3. Segmentierung (Regelbasiert oder anhand von Predictive-Analytics-Methoden)
  4. Bereitstellung der gewonnenen Informationen an ausführende Systeme möglichst in Echtzeit

 

CRM, Data Warehouse, Data Lake und Co. decken – für sich wie auch in ihrer Summe – die genannten 4 Aspekte nicht ab: In ein CRM-System laufen nur Daten bestimmter Touchpoints ein, in einem Data Warehouse können zwar Daten verschiedener Töpfe abgelegt werden, jedoch nur in strukturierter Form und damit unflexibel. Die flexible Verknüpfung auch unstrukturierter Daten und damit einhergehend die Bildung von Segmenten sind zwar mit einem Data Lake möglich, jedoch fehlt auch hier die Möglichkeit, die erlangten Erkenntnisse zu aktivieren. Dies bedeutet, die aus den genannten Systemen gewonnenen Ergebnisse können nicht direkt als Trigger zur entsprechenden Aktion an den Touchpoints genutzt werden.

 

Dieser Hintergrund bietet einen fruchtbaren Boden für den inzwischen auch hierzulande einsetzenden Wirbel – um nicht zu sagen Hype – um die sogenannten Customer Data Platforms (kurz CDPs). CDPs versprechen die Lösung für die beschriebenen Herausforderungen der datenbasierten Customer Experience-Gestaltung und -Steuerung. Der Begriff wurde bereits 2013 von David M. Raab, dem Gründer des CDP Instituts – einer Organisation, die Marketern diese Technologie nahebringen möchte – geprägt und beschreibt Software-Lösungen mit den folgenden Eigenschaften:

 

  • Sie verfügen über eine integrierte, persistente Datenhaltung zur Vereinheitlichung von Kundeninformationen über viele verschiedene Quellen und Kanäle
  • Sie verfügen über eine einheitliche Kundenkennung, die alle Daten eines Kunden verknüpft, unabhängig von der Quelle
  • Sie sind für externe Anwendungen zugänglich und stellen Daten für verschiedene Marketing- und Analyse-Technologien bereit
  • Sie werden durch das Marketing gesteuert

 

Der Markt für diese Technologie ist seither explodiert und spätestens mit Eintritt der großen Player wie Adobe (Adobe Experience Platform) und Salesforce zeichnet sich ab, dass es sich bei CDPs nicht um eine schnell vorübergehende Randnotiz handelt. Gleichzeitig ist es ratsam, differenziert auf die Thematik zu blicken. Gartner sortiert die Technologie in seinem Hype Cycle in der Phase „Peak of Inflated Expectations“ ein und berichtet, dass viele Marketer, die eine CDP eingeführt haben, sie nur als CRM benutzen. Der inzwischen dicht besiedelte Markt hat sein Wachstum verlangsamt und gleichzeitig versuchen Marketer zu verstehen, wie sich die einzelnen Anbieter unterscheiden. Denn inzwischen positionieren sich viele Anbieter als CDP, liefern aber nicht die erhofften Fähigkeiten. Versuche, sich zu differenzieren, resultieren oft darin, dass Anbieter redundante Technologien anbieten.

 

Bevor Unternehmen – den glänzenden Heilsversprechen der Branche folgend – unreflektiert auf den Zug aufspringen, ist daher eine genaue Definition interner Anforderungen unerlässlich. Dies ermöglicht eine Entscheidung für den am besten geeigneten Anbieter oder für eine Eigenlösung; in beiden Fällen gilt es, Redundanzen oder Lücken im Technologie-Stack zu vermeiden. Andernfalls laufen Unternehmen Gefahr, viel Aufwand in die Einführung einer neuen Softwarelösung – Lizenzkosten, Implementierungsaufwand, Enabeling der Organisation uvm. – zu stecken, ohne in Bezug auf datengetriebenes Customer Experience Management voranzukommen.