Artificial Intelligence und Personalisierung werden euch (leider) nicht retten.

on 12.09.2022 by Dr. Marco Linz

Artificial Intelligence ist nicht die Rettung

Wann und wieso es stattdessen sinnvoller ist, Conversion Optimierung die verdiente Aufmerksamkeit zu schenken.

In den letzten Monaten beobachten wir bei FELD M vermehrt Kundenanfragen nach dem Motto: „Wir haben eine der führenden Digital-Marketing-Suiten inkl. AI-Komponenten eingekauft, weil wir personalisieren möchten/müssen. Welche Cases schlagt ihr vor, ohne unsere Daten gesehen zu haben?“

Auch wenn die Intention einer möglichst userzentrierten Ausgestaltung des Digital Marketings grundsätzlich ein richtiger Gedanke ist, klammert diese Art von Anfrage oft die zentralen Hebel und „low hanging fruits“ aus, die sich beim Kundenunternehmen meist sogar sehr kurzfristig umsetzen lassen. Bevor man an hochkomplexe Themen wie Personalisierung mittels AI und entsprechende Technologieentscheidungen denkt, lohnt es sich, zunächst die folgenden Fragen zu stellen:

 

1. Wie ist die Conversion Rate in meinem Hauptkonversionspfad und an welchen Stellen springen die Nutzer*innen aktuell aus welchen Gründen ab?

Diese simple Frage führt nicht selten zu sehr erhellenden Momenten: entweder der Hauptkonversionspfad ist noch nicht (vollständig) messbar oder die Daten wurden nicht detailliert genug angesehen. Liegen die Onsite Conversion Rate, wie in der Mehrzahl der Fälle im eCommerce, im Schnitt zwischen niedrigen 3 % und 5 % und dazu die Bounce Rates in den Online-Marketingkanälen bei hohen 20 %+, ist Personalisierung nicht der zu priorisierende Optimierungshebel.

Oftmals verbergen sich hinter diesen Absprüngen triviale Gründe, wie

  • technische Fehler
  • Darstellungsthematiken
  • kognitive oder konsumpsychologische Conversion-Killer
  • falsche Umfelder der Werbemittelausbringung etc.

Völlig unabhängig von den Spezifika der einzelnen Nutzer*innen verhindern diese übergreifend Conversions in Ihrem Shop oder auf Ihrer Seite – entsprechend sinnvoll ist es, zuerst diese Hürden auszuräumen.

Sollte sich in der Analyse zeigen, dass eines der Hauptkundensegmente eine besonders hohe Absprungrate an einer Stelle des Konversionspfades zeigt, ergibt es Sinn, sich zudem mit folgender Frage auseinanderzusetzen:

 

2. Kann eine segmentspezifische Ausgestaltung in Form einer Individualisierung oder sogar 1:1-Personalisierung die Absprungrate verringern?

Diese Frage ist nur dann mit einem klaren „ja“ zu beantworten, wenn Sie ausreichend Traffic in den Usersegmenten, insbesondere auf den unteren Seitenebenen (Produktkategorie- und Detailseiten, Service Bereiche, etc.), zur Verfügung haben. Zudem ist es unabdingbar, dass die diskriminierenden Charakteristika der Nutzersegmente bzw. der Einzelnutzer*innen überhaupt technisch erfasst werden und auch für eine Individualisierung oder Personalisierung zur Verfügung stehen. Gerade der letzte Punkt birgt oft größere Hürden:

 

3. Stehen die Triggerinformationen zur Individualisierung oder 1:1-Personalisierung rechtzeitig (technisch) zur Verfügung?

Was zunächst trivial klingt, wird oft zum Showstopper: Sind die Trigger einer individualisierten oder personalisierten Ausspielung zur richtigen Zeit in der richtigen Form für die technische Personalisierungslösung verfügbar?

Beobachtet man aktuell eine Wiederbesuchsrate von im Durchschnitt weniger als zwei Besuchen, hat sich das Thema Individualisierung über mehrere Sessions hinweg bereits erledigt, da der Nutzer oder die Nutzerin schlicht in einer Vielzahl der Fälle kein zweites Mal die Seite besucht. So bleibt nur die Option, Ihre Seite für Ihre User innerhalb eines Besuchs bzw. einer Session zu personalisieren. Benötigt aber die Personalisierungslösung beispielsweise 24h, um die Zugehörigkeit eines Nutzers zu einem Segment zu bestimmen, ist diese Lösung für Ihre Bedürfnisse schlicht ungeeignet. Stattdessen wäre eine Lösung, die eine Segmentzuweisung in near-real-time erlaubt, die richtige Wahl.

Aber auch hier kommt es stark darauf an, wie der spezifische Case aussieht. Können Sie erst technisch auf der nächsten Seite individualisieren oder personalisieren, ist es notwendig, dass der User noch mindestens einen zweiten Seitenaufruf pro Session triggert.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bleibt noch eine letzte Frage zu beantworten, die oftmals unterschätzt wird:

 

4. Ist meine Organisation in der Lage, individualisierten bzw. personalisierten Content oder Produkte in der benötigten Menge in endlicher Zeit und Aktualität bereitzustellen?

Puh, was ist das nun für eine Frage? Tja, sollte Ihr Produkt an sich nicht individualisierbar oder personalisierbar sein, bleibt Ihnen nur der Content, der Abverkaufs-/Konsumprozess oder die Nutzeransprache ganz allgemein für eine Individualisierung oder Personalisierung Ihrer Seite. Gerade große Konzerne geraten hier schnell an Kapazitäts- und Compliancegrenzen.

Stellen wir uns ein Zweiproduktunternehmen vor, das vier relevante Zielgruppen individualisiert über drei Marketingkanäle mit entsprechenden Ads (SEA, Display, Facebook) ansprechen möchte. Die Laufzeit der Kampagnen beträgt im Schnitt einen Monat und mit jeder Kampagne geht eine Landingpage (sprich zwölf Landingpages pro Jahr) einher. Von einer Individualisierung im anschließenden Onsite Check-Out Funnel sehen wir zunächst einmal ab. Das bedeutet, dass dieses Unternehmen im Jahr maximal 288 Content Pieces produzieren muss.

Anzahl der anzuliefernden Content Pieces im Falle einer Personalisierung

 

Oftmals sind selbst große Organisationen dazu kapazitär weder für die Content-Erstellung noch die (juristische) Prüfung und Freigabe im Stande. Eine weitgehende Individualisierung bzw. Personalisierung des Kauferlebnisses wird daher bereits im Kern unmöglich.

 

Zusammenfassend können wir sagen, dass eine Individualisierung bzw. Personalisierung nur Sinn ergibt, wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind.

Zusammenfassung: Wann macht einer Personalisierung Sinn?

 

Das klingt nach sehr vielen „Wenns und Abers“ für Sie? Gerne unterstützen wir Sie dabei, herauszufinden, ob Personalisierung für Sie ein sinnvoller nächster Schritt ist und wo in Ihrem Conversion Funnel noch „low hanging fruits“ versteckt liegen. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht an hello@feld-m.de!

 

Original photo by Possessed Photography on Unsplash

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